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Mein Hund ist tot - es lebe mein Hund!

zwei davon mehr Bilder...

Nun war mein Hund seit eineinhalb Monaten tot - erst oder schon? Vor zwei Monaten waren wir noch ahnungslos unsere Lieblingswege gegangen, hatte er noch grummelnd unter meinem Arbeitstisch gelegen, hatte ich ihn unverdrossen die Treppe rauf und runter getragen - nichts mehr.

Nur noch ein schwacher Duft nach ihm und ein kleines Hügelchen im Vorgarten bei den Eltern meines Liebsten auf dem Land, wo er immer so gerne gewesen ist.
Spielzeug weggeschmissen, Bürsten, Kämme, Decken - weg.

Ich dachte, das macht es leichter. Keinen Hund mehr, dachte ich. Wenn ich den einzigen, den ich will, nicht haben kann, dann will ich keinen. Auf so eine Liebesgeschichte, die sowieso nicht gut ausgeht, kann ich mich nicht noch einmal einlassen.

Und ich ging weiter durch die Welt, alleine, ohne den, der immer Zeit und Lust hatte, etwas zu unternehmen, ohne den, der immer bei mir gewesen war, Tag und Nacht, bei der Arbeit, im Urlaub, auf Einkaufswegen, bei Besuchen - immer eben.
Und das Leben ging auch weiter, jedenfalls für die anderen, während mir der Zugang abgeschnitten schien. Oder richtiger: ich fühlte mich abgeschnitten, als ob mir ein wichtiges Organ der Empfindung und der Wahrnehmung amputiert worden sei. Nur Sehnsucht, Leere und Erschöpfung spürte ich. Doch die Sehnsucht war die größte unter ihnen.

Zwölf Jahre sind eine lange Zeit, doch mir schien, als ob mein Hund schon immer bei mir gewesen sei; ich wußte gar nicht mehr, wie man ohne lebt. Und diese überflüssigen Stunden, die plötzlich anfielen, mit denen ich nichts anzufangen wußte, da das, was ich in dieser Zeit gerne getan hätte, nicht mehr zu tun war!

Aber natürlich mußte ich selbst herausfinden, was meine Freunde schon längst wußten, daß meine Sehnsucht und meinen Kummer nur ein Hund stillen kann. Und dieser Hund war auch bereits geboren.

Als ich ihn das erstemal sah, natürlich ganz unverbindlich, war er sieben Wochen alt - so klein und zart und anrührend. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß aus ihm jemals ein großer kräftiger Bursche werden würde, einer, der mit anderen Rüden rumprotzt, wichtigtuerisch seine Marken setzt, eindrucksvoll bellend aus der Einfahrt stürzt, grummelnd unter meinem Arbeitstisch liegt, Futter nachbestellt, begeistert den Stöcken ins Meer hinterherspringt: ein Ich-bin-bei-Dir-alle-Tage-Hund.

Jetzt begann die schlimme Zeit der Unschlüssigkeit und des Haderns. Ich sehnte mich nach meinem Großen, doch nur den Kleinen konnte ich bekommen. Und ich war doch so an einen erwachsenen Hund gewöhnt! Natürlich würde der Kleine mir ans Herz wachsen - aber dann ginge alles wieder von vorne los. Er würde in die Rüpeljahre kommen, es würde Erziehungsprobleme geben, Krankheiten, Sorgen, er würde älter werden und schließlich auch sterben.

Aber ich ertappte mich dabei, wie ich heimlich probehalber seinen Namen flüsterte, wie meine Blicke durch die Wohnung und mein Atelier streiften, ob denn beides welpensicher sei, und ich sah mich in dunkler Nacht wieder durch die Gegend laufen, diesmal mit einem Welpen, der alles aufregend und spannend findet und darüber seinen Haufen vergißt.
Er war also schon in meinem Leben, und endlich wurde mir klar, daß ich ihn nie mehr würde vergessen können, auch wenn ich ihn nicht zu mir holte, und daß sich zu der einen Sehnsucht eine weitere gesellen würde.

War ich aufgeregt am Abend vor dem Tag, an dem ich ihn abholen wollte? Ich weiß es nicht mehr. Am Abholtag selbst war ich eher ängstlich, ob ich dem Kleinen auch gerecht werden könnte, ob ich genügend Energie und Fröhlichkeit aufbringen würde, die erforderlich sind, einen Welpen das werden zu lassen, was ich mir wünschte: einen glücklichen Hund. Doch als er schließlich im Auto auf meinem Schoß saß, aufgeregt und beinahe fassungslos über all das Fremde, das auf ihn einstürzte, wußte ich, daß ich das kann, weil ich es wollte.

Der Tag verging beinahe normal, jedenfalls für die Menschen; der Kleine lernte seinen zukünftigen "Arbeitsplatz" kennen, fand heraus, wo Wasser und Futter standen, er durfte spielen, schlafen, essen, Seen machen - es gab so viel zu tun, so viele neue Eindrücke! Und als wir spät in der Nacht nachhause gingen, war er erschöpft und müde, und so trug ich ihn durch die große fremde Welt, ein kleines, duftendes, federleichtes Wuschelknäuel, warm und lebendig, das sich aufmerksam und neugierig umschaute.

Zuhause zeigte ich ihm unsere Wohnung, wo die Wassernäpfe stehen, kuschelige Schlafplätze sind, daß man auf dem Sofa liegen kann oder auf den Küchenfliesen, auf den Dielen vor der Wohnungstür oder auf dem weichen Teppich unter dem Hochbett.
Und als ich ihn auf mein gebrauchtes Nachthemd bettete, schlief er schon fast.

Ich war beinahe genauso erschöpft wie der Kleine, nicht, weil er mich so angestrengt hatte, sondern von dem emotionalen Streß, meiner Unsicherheit, meinen Fragen, meinem Kummer und meiner Rührung über dieses kleine fürsorgebedürftige Wesen.
In der Gewißheit, nach dem Aufwachen am nächsten Morgen die Wohnung voller Haufen und dunkler, feuchter Flecken vorzufinden, schlief ich sofort ein.

Und hockte plötzlich irgendwann mitten in der Nacht hellwach auf dem Fußboden, weil mich leises fragendes Piepsen geweckt hatte, und ein kleiner schlaftrunkener Welpe kam zu mir getapst und hatte vergessen, wo der Wassernapf steht. Nach ein paar Schlucken und noch mehr Knuscheln und Flüstern, tapste der Kleine zurück zu unserem Nachthemd und schlief sofort wieder ein: Humphrey war zuhause - auch in meinem Herzen.

Wie habe ich die Welpenzeit genossen! Die Albernheiten, die Entdeckerfreude, die Neugier und die Beiß-, Knabber- und Kuschelanfälle meines kleinen Monsters, das Trepperauf- und Trepperuntergeschleppe, das Wischen des Fußbodens, das Gehampel mit der Leine, die Gänge im halbwachen Zustand vor dem Morgengrauen! Ich fragte mich mehrmals am Tag, ob aus diesem komischen Ding wohl jemals ein verständiger Hund werden würde, und wußte doch: schneller, als mir lieb sein würde.

Nun leben wir schon über drei Jahre zusammen, und ich staune heute noch, wieviel Platz man in seinem Herzen haben kann und wie schnell alles geht. "Meine Hunde" sage ich jetzt, und wenn ich mich nach dem einen sehne, ist der andere schon da. Ich suche nach Ähnlichkeiten und Unterschieden und bin sonderbar zufrieden, wenn ich beides finde.

Das komische, alberne Ding ist jetzt ein verständiger großer, kräftiger Rüde, ein Ich-bin-bei-Dir-alle-Tage-Hund - der Hund, den ich hatte haben wollen und den ich auch bekommen habe.

Und wenn Humphrey und ich vor Antons Hügelchen stehen, denke ich: Wie schön ist es, einen Hund zu haben!
Und mein Hund denkt: Können wir jetzt nicht endlich mal was machen?

Ja! Laß uns was machen!

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